So können Sie vielleicht helfen

Wenn es einen Glauben gibt, der Berge versetzen kann, so ist es der Glaube an die eigene Kraft.

-Maria von Ebner-Eschenbach-

 

Dieser Spruch hing von anfangs Jahr bis zu meinem Spitalaustritt an der Zimmerwand...

Zuerst möchte ich Ihnen als Angehörige eines Hirnverletzten ganz viel Kraft und Geduld wünschen, die brauchen auch SIE!

...nicht jeder Verlauf ist gleich, aber einige Tipps möchte ich hier deponieren, die aus meiner "Erfahrung" helfen könnten.

 Dazu veranlasst hat mich die "Studie" meiner HP-Statistik. Ich stellte fest, wie oft der Begriff "Hirnblutung" gegoogelt wurde. Meine Sohn erzählte mir dann, wie lange auch er gegoogelt habe und nach Infos suchte, als ich noch im Koma lag. Diese Aussage, sowie der anonyme Gästebucheintrag (ich weiss inzwischen, in was für einer Verzweiflung diese Schreiberin nach Informationen suchte und bedanke mich auf diesem Weg für den Eintrag!)veranlassten mich, nun auch diese Sparte für Angehörige zu schreiben und aufzuschalten, bevor die Biografie vom langen Weg fertig geschrieben ist!

 

Ihr Patient wird in der Anfangsphase sehr angressiv, vor allem den Nächsten gegenüber sein, erschrecken Sie nicht, das ist nicht böse gemeint, nicht so nahestehenden Personen gegenüber ist man meist sehr freundlich.

 

Legen Sie dem Patienten ein Gästebuch oder ähnliches offensichtlich auf den Nachttisch, mit einem Hinweis, dass sich jeder Besucher dort eintragen solle. Die Besuche, die ich anfänglich hatte "realisierte" ich nicht, obwohl ich sie alle erkannte und ganz normal mit ihnen gesprochen habe...gerne würde ich heute wissen, wer mich alles besucht hat! Ich denke, dass ein solches Gästebuch sehr Sinnvoll wäre, auch für später, für die Verarbeitungsphase.

 

Was mir auch sehr geholfen hat, auch um Bekannten die unsichtbaren Behinderungen aufzuzeigen, ist die Broschüre von Peter O. Bucher (Bezugsquelle siehe bei Hirnblutung). Leider kam die mir erst kurz vor ende des stationären Spitalaufenthaltes in die Hände. Diese Broschüre ist so einfach zu verstehen und mit Skizzen versehen, dass auch Kinder verstehen können, was alles nicht geht (z.B. will eine Frau ihre Hose wie ein Pullover anziehen). Die Broschüre ging zuerst an meine nähere Verwandtschaft, danach an den engeren Freundeskreis und als ich zu Hause war legte ich je eine Broschüre in die Briefkästen der Nachbarschaft.

Diese Informationen helfen der Umgebung anders und offener auf uns Betroffene zuzugehen.

Ich weiss, nicht alle können so offen mit den "Behinderungen" umgehen, aber da ich schon vor dem Vorfall sehr der Öffentlichkeit ausgesetzt war, blieb mir fast nichts anderes übrig, um wieder in die Masse zurückzukehren und Anlässen teilzunehmen wie früher! Sogar fast jedes Kind im Dorf weiss inzwischen von meinen vesrsteckten Behinderungen und sie erkundigen sich sogar nach Fortschritten, ein Nachbarsjunge (6.Klässler) kam sogar mal mit seinen Matheaufgaben bei mir vorbei, um mit mir zu lernen. Ich hätte mich, wenn ich nicht so offen Umgehen könnte, mit den Problemen einbunkern müssen!

Ganz wichtig ist, dass Sie sich bei "Uneinigkeiten" oder Unsicherheiten nie vor dem Patienten mit Pflegepersonal oder Ärzten ausdiskutieren! Auch Zielfestlegungen...da sollten ALLE am gleichen Strick ziehen. Als Patient merkt man nämlich schnell, wen man auf die eigene Seite ziehen und somit beinflussen könnte ;-)! Irgendwann bekommen Sie von Ihrem Angehörigen dann den Vorwurf zu hören, dass Sie Hinterhältig seien...Sie mussten das sein zum Schutze des Patienten!

 

Entscheidungen sind auch so ein Thema: Vor dem vollen Kleiderschrank stehend, konnte ich mich nicht entscheiden, was ich einpacken oder anziehen wollte! Wir einigten uns so, dass meine Tochter dann immer eine "Vorauswahl" traf und ich daraus aussuchte. Volle Ladengestelle usw. waren (und sind es für mich heute noch!) ein Greuel. Man ist wie blockiert...

 

Die Ruhezeiten sind auch ganz wichtig! Der Schlaf ist der beste "Heiler". Und trotzdem unbedingt auf geregelte Strukturen achten. Auch wenn die halbe Nacht zum Tage wurde, am Morgen nicht bis zum Mittag liegen lassen, sonst fällt alles auf den Haufen. Notfalls wecken, auch wenn es für Sie noch so hart ist, aber dann sicher einen Mittagsschlaf einplanen lassen, jedoch auch mit Wecker!

 

Schlafmittel und Gemütsverstimmungsmedikamente sind auch so ein Thema! Mit Händen und Füssen wollte ich mich dagegen wehren...bis mir der Arzt ganz fest ins Gewissen redete. Ich persönlich bekam ein pflanzliches "Schlafmittel", welches ich sogar meiner Tochter hätte geben können und sprach sehr gut auch darauf an...denn die Gemütsverstimmungen drücken auch ganz fest auf die Genesung!

 

Der "Emotionspegel" verändert sich auch ganz enorm! Mich konnte vor dem Vorfall fast nichts erschüttern...heute fühle ich mich sehr schnell "über den Tisch" gezogen, oder die Tränen laufen aus heiterem Himmel!

 

Der Rollstuhl ist ein gutes Fortbewegungsmittel, aber er kann auch eklig sein. Ich liess mich nicht sehr gerne stossen...ich weiss jetzt, wie sich ein Kleinkind im Kinderwagen fühlt, vor allem, wenn er nicht dorthin gesteuert wird wo es möchte...und das ewige nach Oben schauen "müssen" ist auch nicht sehr angenehm!